"Ich habe viele Künstler gesehen, die in ihrem Stil gefangen sind, und auch ich fürchte diese Falle immer noch." Wenn es ein Zitat gibt, das das Werk des japanischen Künstlers Yoshitaka Amano in seiner Gesamtheit definiert, dann ist es dieses. Der legendäre Designer von "FINAL FANTASY" ist eine Naturgewalt in der modernen Bildkunst, ein wahrer Meister seines Fachs - oder besser gesagt seiner Fächer, denn Yoshitaka Amanos ausdruckstarke Arbeiten lassen sich nicht auf einen bestimmten Stil, eine bestimmte Form oder ein bestimmtes Medium reduzieren. Ihn allein als Videospielkünstler zu bezeichnen würde Amano nicht gerecht werden: Seine Arbeit entfach ihre Wirkung in Kunstgalerien genauso wie in Manga-Büchern, und funktioniert in Spielen genauso gut wie im Kostümdesign. Als Allroundkünstler hinterfragt er unsere Erwartungen an das, was einen "Videospielkünstler" ausmacht, und inspiriert seine Künstlerkollegen, jegliche Grenzen, die ihnen begegnen könnten, zu ergründen und zu überschreiten - und sich zudem vor den zahlreichen Fallen des alltäglichen Lebens zu hüten.
Artikel
Spotlight: Yoshitaka Amano.
Eine Einführung in den Künstler, der das Aussehen von FINAL FANTASY geprägt hat.
Arjan Terpstra
12-07-2019 ⋅ 6 min read
"Während seiner gesamten künstlerischen Laufbahn hat Yoshitaka Amano bewusst und unbewusst Grenzen überschritten, die andere Künstler vielleicht eingeschränkt hätten", so beschreibt es der Ausstellungskatalog der New Yorker Ausstellung "Think Like Amano" (1997). "Er hat sich fließend von Medium zu Medium, von Format zu Format, von Stil zu Stil bewegt; er hat unersättlich Ideen und Bilder aus anderen Kulturen aufgegriffen und adaptiert." Diese Fluidität geht Hand in Hand mit einer ausgeprägten künstlerischen Autonomie und dem damit einhergehenden sozioökonomischen Status, den sich die meisten Künstler wünschen, den aber nur wenige tatsächlich erreichen. Im Alter von 15 Jahren zunächst als Grafiker eingestellt, kündigte er mit 30 Jahren seine feste Anstellung als Animator bei Tatsunoko Productions, Tokio, um eine freiberufliche Karriere zu starten, die bis heute anhält. Im Nachhinein erwies sich dies als lohnender Schritt, der Amano von dem befreite, was er als die Gefahren der "Falle", ein "Angestellter" zu sein empfand - eine japanische Arbeiterbiene, die lebt, um das Unternehmen und nicht den einzelnen Arbeiter voranzubringen. Im Anschluss etablierte er sich als angesehener Künstler und stieß in verschiedene Kunstformen vor, insbesondere in die Bereiche Film und Theater, wo er als Kostümdesigner und Bühnenbildner tätig war.
Amano beschäftigte sich während seiner Angestelltenzeit hauptsächlich mit Manga und Anime. Seine Arbeit bei Tatsunoko Productions umfasste die Mitarbeit an "Mecha"-Mangas wie "Gatchaman" und "Tekkaman", aber als Freelancer begann er damit, sich mit von Fantasy inspirierten Arbeiten wie "Vampire Hunter D" zu widmen - im Westen als einer der ersten Anime bekannt, der überhaupt außerhalb Japans veröffentlicht wurde. Amanos "Fantasy"-Kunst zeichnete sich durch fließende Linien und die gleichzeitige Verwendung von Pinseln und Stiften sowie den gezielten Einsatz von Aquarell- und Acrylfarben aus. Der daraus resultierende transluzente Stil fand viele Bewunderer und führte Amano zu einem Auftrag, der seinen Namen als Künstler und Illustrator nachhaltig prägen sollte: 1987 beauftragte ihn die Videospielfirma Square (heute: Square Enix) mit der Arbeit an einer neuen Videospiel-Serie namens "FINAL FANTASY".
Vom allerersten Titel an, in einer langen Serie von "FINAL FANTASY"-Spielen, verlieh Amano dem Videospiel-Design eine künstlerische Note, die man in den 1980er Jahren so noch nicht kannte. Frühe Videospiele verwendeten typischerweise Pixelkunst als Mittel des visuellen Ausdrucks, was bedeutete, dass Künstler mit harten technischen Einschränkungen arbeiten mussten: eine begrenzte Anzahl von Farben, limitierte quadratische Blöcke für Charakter-Sprites und so weiter. In der Anfangszeit der Videospiele in den 1970er Jahren wurde In-Game-Kunst von Programmierern entwickelt, die wussten, wie man grobe blockhafte Objekte über einen Bildschirm bewegt. Nur für Werbegrafiken, Box-Art für Verpackungen oder die Gestaltung von Arcade-Maschinen wurden Künstler beauftragt, was zu einem interessanten Dualismus führte: Während Marketingkunst - nicht von technischen Einschränkungen begrenzt – opulent und beeindruckend sein konnte, war In-Game-Kunst lange Zeit künstlerisch ohne Bedeutung.
Dies änderte sich in den 1980er Jahren, als sich die Grafiktechnologie von Spielcomputern schnell von 8bit auf 16bit und 32bit und darüber hinaus weiterentwickelte. Damit schloss sich die Lücke zwischen Werbung und In-Game-Grafik, wobei die "Game Artists" plötzlich für die Produktion von beidem verantwortlich waren. Hier kommt Yoshitaka Amano ins Spiel, der nicht nur eine Ästhetik mitbrachte, die ausgereift, majestätisch und neu war, sondern auch die Lücke zwischen Werbe- und In-Game-Grafik schloss, indem er die Kluft einfach ignorierte. Amano näherte sich dieser neuen Aufgabe wie jedem anderen Kunstauftrag und ließ seine Vorstellungskraft freien Lauf. Dabei experimentierte er mit etablierten künstlerischen Techniken wie Holzschnitt (aus der japanischen Ukiyo-e-Tradition), Radierung und Lavierung mit schwarzer Tusche (Sumi-e), um die für das Spiel benötigten Monster- und Charakterdesigns zu gestalten. Im Laufe der Zeit entwarf er ein unglaubliches Pantheon von Helden und Monstern, mit einer Präsenz, wie sie in der Konzeptkunst von Videospielen nur selten zu finden war. Lockere Pinselführung tanzte um starke Bleistiftstriche, Aquarellschwünge, bunte Radierungen, Kohlewischungen oder Acrylspritzer erweckten so eine phantasievolle Bildsprache, die die Kunst von "FINAL FANTASY" für in den folgenden Jahren bestimmen sollte.
Die Wirkung von Amanos "FINAL FANTASY"-Kunst kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Seine Bilder sind so lebhaft, mutig und phantasievoll, dass sie wiederum die Vorstellungskraft der Spieler anregen, die Lücken im Design zu schließen und eine wirklich enge Verbundenheit mit den "FINAL FANTASY"-Charakteren, der Welt und ihrer Geschichte zu entwickeln. Vom ersten Teil an fand das Spiel große Anerkennung bei den Spielern, die bis heute zu den größten und treuesten Fan-Gruppen gehören, die es je im Spielebereich gibt oder gegeben hat. Darüber hinaus wirkte sich dies auch auf Square/Square Enix aus: Bis heute nutzen die Künstler, die an "FINAL FANTASY"-Spielen arbeiten, Amanos Werk als Referenz, um darauf aufzubauen und Monster wie Leviathan oder Marlboro für die aktuelle Generation von Computern und Spielern neu zu inszenieren.
Im Laufe der Zeit hat sich Amano von "FINAL FANTASY" fortbewegt und andere künstlerische Interessen verfolgt. Seine Arbeiten sind heute sehr populär: Bücher mit seiner Kunst verkaufen sich in Millionenauflage, und Grafiken und Poster von Yoshitaka Amanos Werken sind sehr gefragt. Galerien verkaufen seine Siebdrucke und Lithographien oder bieten Einzelausstellungen seiner Werke an. Individuelle Kunstwerke sind in Ausstellungen über japanische zeitgenössische Kunst zu sehen, und es gibt viel von Amano in Filmen, Anime, Theaterproduktionen und High Fashion zu sehen. All dies verdanken wir der Angst vor einer "Falle" und einem Künstler, der dem Ruf seiner Eingebung folgt und seine Kunst von allen Einschränkungen befreit hat.
Abonnieren Sie unten unseren Newsletter, wenn Sie über weitere kostenlose Videospiel-Kunstartikel informiert werden möchten.